Marfan in meiner Kindheit
Ich habe heute die angeforderten Unterlagen der Marfan-Hilfe bekommen. Sehr viel Informationen und auch ein paar Bilder. Unter anderem Bilder von einem typischen “Marfan-Kind” und ein Bericht über die psychischen Begleiterscheinungen dieser Krankheit bei Kindern.
Dieses Kind auf dem Bild war sehr groß, sehr dünn, hatte sehr lange Beine und Arme, sehr lange dünne Füße und Finger, der Oberkörper war eher kurz im Vergleich zu den Beinen und das Kind sah so aus wie ich damals. Ich hatte direkt Tränen in den Augen. Es wurde berichtet wie sehr Marfan-Kinder leiden gerade beim Schwimmunterricht. Wie oft wurde ich gehänselt, weil ich einfach so groß und so furchtbar dünn war? Das wurde beim Erwachsenwerden besser, weil Erwachsene einfach nicht so offen sind wie Kinder, aber auch da treffe ich immer wieder auf Menschen, die meinen dass ich mehr essen muss, weil meine Arme und Beine so dünn sind.
Jetzt wird mir soviel bewusst und ich weiß im Nachhinein nicht warum ich nicht vorher wusste, dass ich ein Marfan-Mensch bin. Ich wußte von der Krankheit und doch habe ich alle Anzeichen irgendwie ignoriert. Vielleicht aus Angst oder aus Selbstschutz.
Ich wusste als Kind schon, dass ich anders bin, aber damals hatte das noch keinen Namen. Ich war immer 1 bis 2 Köpfe größer als meine Klassenkameraden. Ich war nie niedlich, weil ich dafür einfach zu groß und zu dünn war und ich sah einfach anders aus.
Ich war nie gut in Sport, weil mir einfach die Muskeln fehlen.
Ich hatte früh sogenannte Schwangerschaftsstreifen an den Schultern, Oberschenkeln und an der Brust, schon als Kind.
Ich war schon immer Kurzsichtig und hatte als Kind schon einen grauen Star, der dann erfolgreich operiert wurde. Direkt vor der OP stellten die Ärzte fest, dass meine Linse schlackert, auch ein zeichen von Marfan.
Ich brauchte als Kind eine Zahnspange, weil meine Kiefer einfach nicht groß genug sind für die ganzen Zähne.
Man hätte mir soviel ersparen können, wenn wir das gewusst hätten. Kurz vor der Pubertät wurde ich in der Uni-Essen mit Hormonen behandelt um mein extremes Wachstum zu stoppen. Warum haben die Ärzte damals nicht erkannt was mir fehlt, wo ich doch so typisch bin?
Aber das ganze Sinnieren bringt jetzt auch nichts. Ich habe als einzigen Weihnachtswunsch, dass unser Kleiner das Marfan-Syndrom nicht hat. Das wäre für mich nur schwer zu ertragen. Noch halte ich mich an dem Strohhalm fest, dass er nicht so aussieht.